#35 | El Tato, Munich, Germany


Last Visit: July 2024

In München gibt es eine neue hochwertige Cocktailbar, die es gleich von Anfang an geschafft hat eine klaffende Lücke in der bayerischen Hauptstadt zu schließen: Südamerkanische Cocktails und Küche suchte man in München bisher vergebens, zumindest auf diesem Niveau und das noch in Kombination.

Das El Tato versteht sich als kleine, aber feine Gastrobar im Gärtnerplatzviertel, die sich vor den Größen der Münchner Barszene sicher nicht verstecken braucht.

Eröffnet wurde das El Tato vom ehemaligen Manager der Ory Bar im Mandarin Oriental, Chris Schmidt-Sanchez und seiner Frau Ginni Schmidt-Sánchez. Dank ersterem durfte man einiges erwarten, was die Drinks anbelangt, mehr zu unseren Erfahrungen in der Ory Bar gibt es hier. Zumindest der alten Ory Bar, denn das Konzept des Menüs wurde inzwischen mit dem neuen Team komplett verändert. Die Aufteilung im El Tato ist währenddessen klar: während er für die Cocktailkarte und eigenes kreierte Signature Cocktails verantwortlich ist, erstellt seine Frau die wechselnde Essenskarte und managed die Küche.

Das El Tato profitiert dabei, wie viele andere Bars, von der Münchner Regelung zu den Schanigärten, die seit Corona das Stadtbild prägen und während der Saison für zusätzliche Plätze im Außenbereich sorgen. Das ist auch sehr notwendig, denn die Bar an sich ist doch recht klein und bietet neben den Barhockern nur ein paar weiteren kleinen Tischen Platz.

Dafür ist die Bar sehr schön eingerichtet und schafft es sogleich ihren Besuchern ein einzigartiges südamerikanisches Flair zu bieten. Dies liegt auch an den tollen Materialien und der Einrichtung aus dem Menagé (Artikel hier), bzw. dem noch davor ansässigen Gamsei, die auf ihre Art ebenso die Münchner Barszene prägten. Sei es die holzvertäfelte Backbar, die wiederum neuen farbigen Tücher an der Decke oder auch die Palmen an den offenen Panoramafenstern, man hat das Interior kreativ erweitert und trotzdem den eleganteren Charme der Vorgänger erhalten.

Am besten ist dabei der Fakt, dass man durch die Konzeptionierung des Interieurs mit dem Barchef auf Tuchfühlung geht und nie weit von der Bar entfernt ist, um dem Treiben dort mit Genuss zuzusehen.

Wir waren zu zweit unterwegs, wurden herzlich vom Kellner begrüßt und bekamen auch sofort einen Platz im Außenbereich angeboten. Gleich darauf wurde uns auch schon die Cocktailkarte gereicht. Auf dieser dominieren gleich zu Anfangs die eigenen Signature Drinks, jeweils sehr schön grafisch aufbereitet und mit einer Doppelseite versehen. An sich nicht ungewöhnlich in Bars, hier jedoch durchaus aufwendig und mit eigenem Stil, mit den mehreren High End-Fotos pro Drink (siehe Beispiele unten).

Diese zeigt sowohl die kulinarische Heimat des Cocktails und der Lead-Spirituose, als auch Informationen zum Inhalt und zur Aromatik. Die Karte macht es somit auch Cocktail-Neulingen leicht sich an die Signature Drinks heranzuwagen. Meiner Meinung nach passt das insbesondere gut in ein Konzept wie hier, das auch eher kulinarisch Interessierte anziehen kann, mit noch eher wenig Erfahrung mit hochwertigeren Cocktails. Im weiteren Verlauf findet man dann klassische und bekannte Drinks, allerdings immer mit Bezug zu Süd- und Mittelamerika (inkl. Karibik). Natürlich fehlen auch passende Biere und nicht-alkoholische Getränke nicht.

Die Essenskarte kommt auf einer großen Tafel und wird vom Kellner ausführlich erklärt. Darauf befinden sich sowohl mehrere Starter, als auch Hauptgerichte und eine Nachspeise, keine gigantische Auswahl, eher fokussiert und dafür umso frischer. Die Speisen laden zum durchprobieren ein und so bestellten wir uns mit Yuca frita & Esquites eine Auswahl an Starters und zusätzlich noch die als “Lieblingsgericht des Chefs” angepriesene Ceviche. Die Speisen kamen sehr schnell und waren allesamt köstlich, südamerikanische Küche at its best und ohne Einschränkung zu empfehlen, sollte man (unverständlicherweise) nur daran interessiert sein.

Zum Essen bestellten wir unsere ersten Cocktails. Meine Begleitung entschied sich für eine "Brazilian Colada" von der "Clasicos" Karte, während mich der "El Principio" Signature anlachte.

Brazilian Colada

| Cachaca
| Pineapple
| Lime
| Coconut & Cashew
| Tonka Bean

El Principio

| Bruxo Mezcal X
| Corn
| Ancho Chile
| Epazote
| Ghost Lime
| Passionfruit
| Carbonized

Die Cocktails wurden sehr zeitnah und persönlich vom Barchef zubereitet. Die Colada war fruchtig, frisch und cremig und kommt dennoch gut ohne Sahne aus, die Tonka Bohne brachte noch das gewisse Etwas. Insgesamt natürlich im easy-Colada Territorium, aber durchaus ein netter Twist, gerade auch wenn man bedenkt sie ist ja bei den "Klassikern" eingeordnet (und trotzdem mehrfach abgeändert).

Der "El Principio" traf genau meinen Geschmacksnerv mit seiner rauchigen Grundaromatik und seinem dennoch erfrischenden und außergewöhnilchen Charakter. Hierfür wird das den Mais anbelangt einerseits der spannende Nixta-(Mais)Likör genutzt, sowie zusammen Zuckermais mit Maracuja-Püree geklärt durch Agar Agar. Epazote kommt wiederum durch eine Tinktur von Dr. Sours hinein. Ein idealer Starter, welcher nicht besser zu dieser Bar passen könnte.

Uchuva

| Acholado Pisco
| Physalis Cordial
| Riesling Vermouth
| Dry Tonic Water

Que Vaina

| Brugal Rum 1888
| Tamarind
| Amontillado Sherry
| Cigar

Nach dem Essen gönnten wir uns noch eine zweite Cocktailrunde. Meine Begleitung entschied sich abermals für einen Clasicos und wählte den "Uchuva" aus. Dieser wusste nicht ganz so wie der erste zu gefallen, da die Aromatik doch sehr leicht und "limonadig" ausfiel. Ich wählte wieder von der Signature-Karte und war vom "Que Vaina" sofort begeistert: ein idealer After-Dinner-Drink, welcher mit seinen intensiven & komplexen Geschmacksnoten (Rum, Tamarinde, Amontillado Sherry, Zigarre) zum aromenreichen, aber trotzdem entspannten Sippen einlädt und so lange Freude bereitet. Der Vollständigkeit halber: Tamarinde kommt über den Distilleria Quaglia Tamarindo herein [den ich nur über alles empfehlen kann - Anmerkung von Robin /rds]. Die Zigarre wiederum in Form einer Tinktur, die flambiert, dann nur sehr kurzzeitig abgelöscht mit High Proof Rum und dann bereits nach 10-15 Sekunden herausgefiltert, damit keine Schadstoffe austreten können.

Rund herum ein wunderbarer lauer Sommerabend auf hohem kulinarischen Niveau in einer Gastrobar, die ihr Handwerk in allen Ausprägungen mehr als versteht.

Eine absolute Empfehlung, nicht zuletzt auch wegen des freundlichen und aufmerksamen Personals. Ich werde das "El Tato" auf jeden Fall wieder aufsuchen und freue mich sehr über den neuen "Stern des Südens" am Münchner Barhimmel.

/ck


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