#7 | Fabelei, Berlin, Germany
Visit: Summer 2022
Berlin ist groß. Berlin bietet viel.
Sei es Kultur, Kunst oder Kulinarik.
Dafür liebe ich es hier. Nun lebe ich immerhin schon gut über ein Jahr hier und habe immer noch nur einen Bruchteil der guten Cocktail Bars gesehen.
Eine Bar, die ich aber schon sehr früh entdeckt habe und das auch schon vor meinem Umzug nach Berlin, war die "Fabelei".
Ich schlendere an einem Sonntagnachmittag durch Schöneberg. Junge Familien flanieren die Akazienstraße entlang, die Leute machen ihren Sonntagsspaziergang und alle Cafes sind voll. In Begleitung von zwei Freunden bin auch ich auf der Suche nach einem gemütlichen Platz für einen Cappuccino. Aber: wirklich überall sind alle Tische belegt.
Bei einem Blick in eine Nebenstraße fällt mir auf einmal ein leuchtendes Neonschild auf, das von der Hauswand absteht – "Cocktailbar". Das Licht zieht mich magisch an und als wir näher kommen, sehen wir einen Aufsteller mit der Aufschrift: Jetzt auch Kaffee und Kuchen. Perfekt. Wir befinden uns hier noch in einer Zeit der Restriktionen für die Barszene und wegen Beschränkungen der Auslastung, sowie Sperrstunde, hatte die Fabelei ihr Angebot und die Öffnunsgzeit auf den Nachmittag erweitert.
Wir nehmen Platz, trinken einen Cappuccino. Der Kuchen ist fantastisch und dann bin ich natürlich doch neugierig und werfe einen kleinen Blick in die Karte. Die Drinks sehen verdammt gut aus und Zack, ist eine Runde bestellt. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich glaube es war ein Martini Twist mit einem frischen Shiso Blatt als Garnitur im Drink. Das sah nicht nur sexy aus, es war auch ein wirklich gut balancierter, kreativer und köstlicher Drink. Als wir nachfragen, was denn "saurer Grapefruitsaft" speziell meint, der Zutat in einer der anderen Drinks war, erklärt uns der Bartender ausführlich, dass er die Säfte individuell nachsäuert. Auch welche Säurekombination Limette oder Zitrone haben und dass man sowas auch für Orange und Grapefruit einfach nachahmen kann, um diese Säfte vielfältiger in Drink einsetzen zu können, wird nett erläutert (Liquid Intelligence von Dave Arnold fällt einem direkt ein).
Die Freundlichkeit und Offenheit hat damals nachhaltig Eindruck hinterlassen bei uns.
Inzwischen weiß ich, dass der Bartender von damals auch der Inhaber der Bar ist und das Geschäft mit seiner Frau und seinem Bruder führt.
In der Zwischenzeit war ich ein paar weitere Male in der Bar und hatte immer wieder schöne Abende und sehr gute Cocktails. Eine Bar, die mir nochmal deutlich gemacht hat, wie vielfältig Barkultur ist, wie viel Einfluss eine Bar auf meine Stimmung hat und wie viel Einfluss meine Stimmung wiederum auf die Wahl der Bar hat. Nicht nur der Look und das Interieur, sondern eben auch Licht, Lautstärke, Publikum und so viel mehr Faktoren sind von erheblicher Relevanz.
Die Fabelei ist fernab einer verruchten Speakeasy Bar, wie man sie heutzutage ständig findet. Große Fenster, viel Licht, helle Möbel, warme Farben prägen das Bild der Bar. Das Publikum unter 30 ist weniger als in anderen Bars anzutreffen. Die Bar ist erwachsen, gediegen, entspannt. Keine laute Musik, keine dunklen Ecken. Alles sehr einladend und freundlich. Man kann sich bestens unterhalten.
Obwohl sie von der Qualität ganz weit vorne in Berlin mitspielen können, ist es eine entspannte Neighborhood Bar geblieben, man sieht viele Stammgäste. Der Laden ist also nicht von Touristen überlaufen, was vermutlich auch auf die Lage zurückzuführen ist.
Nach einigen Besuchen beeindruckt mich die Bar immer wieder damit, dass ich Zutaten auf der Karte entdecke, von denen ich keine Ahnung habe, was es sein soll. Und das nicht einmal in einer Form von prätentiösem, abgehobenem Strebertum, sondern entsprungen aus viel Leidenschaft und Bodenständigkeit. Kräuter, die ich mir habe erklären lassen und danach dachte: Das ergibt einfach Sinn. - Dieses Kraut muss in diesen Drink und ist nicht drin gelandet, um cool zu klingen. Man findet auch viele selbstgemachte Zutaten auf der Karte und ich glaube im Hintergrund ist auch ein kleines Labor entstanden, in dem überdurchschnittlich viel hergestellt und zubereitet wird.
Ein weiteres Highlight ist außerdem das Bar Food. Wechselnde kleine Gerichte in überschaubarer Anzahl gibt es dort. Eine kleine Bistroküche versteckt sich hinten. In der Fabelei hatte ich tatsächlich meine bisher besten Pelmeni. Der russische Background von den beiden Brüdern spiegelt sich meist auch im Menü wider.
Um euch einen besseren Eindruck von den Drinks zu ermöglichen, eine Auswahl meines letzten Besuchs vor Kurzem:
Noch bevor ich die Karte gesehen habe, war für mich schon klar, welchen Drink ich bestellen werde. Er wurde mir im Vorhinein mehrfach empfohlen und ich wollte das Spektakel der handbedienten, mechanischen Ice-Shaving Maschine erleben. Ich bestelle also den Bourbon 'n' Berry.
Bourbon 'n' Berry – High West Prairie Bourbon, Punt e Mes, Brombeere
Es kommt ein zarter Tumbler, ein feines, dünnwandiges Glas voller Eisschnee mit Minzstrauß an der Seite und einer kleinen Karaffe mit tiefrotem Drink. Man füllt den Drink ins Glas und hat einen Drink mit optimaler Temperatur und Dilution. Herb, fruchtig, kräftig. Ich frage mich kurz, ob der ungeübte Bargast bei einem beerigen Drink mehr Süße erwartet. Aber genau dafür hat man eben kompetente Beratung an der Bar und auch im Service. Der Drink ist nicht überladen, eher simpel und trotzdem ausgereift und keineswegs langweilig.
Interessant ist hier besonders Mundgefühl und Technik. Das Shaved Ice gibt ein ganz anderes Bild als man es von einem Stirred Drink gewohnt ist oder normalem Crushed Ice. Die Technik ist also nicht nur Show, sondern verfolgt ein Ziel und dieses wurde erreicht. Durch die Minze wird der Drink nochmal angenehm aufgelockert. Ich bin rundum zufrieden und nippe am Glas meiner Begleitung.
Feel. On the Beach – Ketel One Vodka, Yuzu Rocks (Likör), Cranberry, Limette, Estragon
Mh. Ein Vodka Drink. Hätte ich mir selbst nicht ausgesucht...
Ein netter Twist auf einen Cosmo. Schmeckt. Ist leicht, fruchtig. Der Estragon (in Form von Öl auf den Drink geträufelt) gibt dem Ganzen etwas mehr Tiefe, der Yuzu Likör peppt es ein bisschen auf. Meine Begleitung ist froh, ich mit meiner Drinkauswahl umso mehr, aber für einen Vodka Cocktail ist er gelungen.
Zack. Mein Drink schon leer. Will ich jetzt auf dem Trockenen warten? Nein. Also folgt ein zweiter für mich, während meine Begleitung noch beim Feel verweilt.
Banana Fashioned – DonQ Anejo Rum (Banana infused), Plantation Rum OFTD, Chartreuse M.O.F., Lime, Peychaud's Bitters
Ich habe schon häufig selbst Banana OFs Zuhause gemixt und dabei Bananenliköre oder Crème de Bananes eingesetzt, aber so ein kräftiges, frisch-fruchtiges Ergebnis habe ich nie geschafft, denn wer viel Banane will, kriegt oft einen pappsüßen Drink im Selbstversuch oder anderen Bars. In der Fabelei machen sie ihren Bananenrum mit dem Rotovap, wenn ich das richtig in Erinnerung habe und das Ergebnis ist grandios. Mit der zarten Kräuternote im Hintergrund gewinnt er an Vielfalt, ohne seinen Kurs zu verlieren. Man kriegt was man erwartet und ist doch überrascht, wie gut dieser Drink ist. (Ich glaube inzwischen sind sie auf DonQ Reserva 7 umgestiegen)
So geht ein entspannter und kurzer Abend zu Ende.
Aber der nächste Besuch wird nicht lange auf sich warten lassen. Hoffentlich fällt dieser dann endlich mal auf einen Donnerstag. Der Tatar-Tag am Donnerstag soll nämlich großartig sein und alle Fotos, die ich bisher davon gesehen habe, lassen einem das Wasser im Mund zusammen laufen.
PS: Wer es nicht nach Berlin schafft, kann die Drinks vielleicht schon bald Zuhause genießen. Es ist ein Projekt mit Bottled Cocktails in Planung, sowie Umsetzung und was ich davon schon probieren durfte, hat definitiv die Neugier geweckt.