#22 | Pulitzer's Bar, Pulitzer Hotel, Amsterdam, Netherlands


Last Visit: November 2023

Ich bin ja der Erste, der auch schickere Hotels gerne für ihre Designsprache kritisiert, wenn sie zusammengewürfelt oder noch schlimmer, austauschbar wirkt. Einfach alles unabhängig von Location und Geschichte in Art Deco oder Retro 1950s Stil ummodellieren kann jeder, ein wirklich stimmiges, besonderes "Das gehört hierhin”-Gefühl beim betreten auszulösen schaffen nur die besten. Beim Pulitzer ist diese Gratwanderung perfekt gelungen.

Das sehr zentral gelegene Hotel umfasste bei Eröffnung 12 der historischen, weltbekannten Kanalhäuser der Stadt, mit der Zeit kamen 13 weitere dazu, sowie eine erst kürzlich fertiggestellte, umfassende Renovierung unter Aufsicht von Kreativdirektor Jacu Strauss. Diese war, insbesondere natürlich mit der Modernisierung der Fassade in das sehr markannte, matte Schwarz, garnicht so einfach umzusetzen. Denn 2010 wurden die Kanäle in den zentralen Straßen von Amsterdam im UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen und daher ist das Hotel auch seitdem tatsächlich der einzige Umbau in der Gegend seitdem.

Copyright: Pulitzer Hotel

Von außen merkt man dies auch nur an dem zentralsten, schmalen Gebäude mit dem großen, modernen, verglasten Eingang. Dieser führt einen in die doch klassisch größere Hotellobby, wenn auch für heutige Verhältnisse mit niedrigen, da historischen Decken mit wunderschönen, authentischen Holzbalken (siehe das 2. Foto in der Gallerie oben). Das Hotel hat abseits davon einen teils urigen, verschachtelten Grundplan, was natürlich an den historischen Gebäuden liegt und ich persönlich aber liebe. Riesig neubauen kann jeder, so hat es mich z.B. auch an das fantastische, neue Rosewood Hotel in München erinnert, welches z.B. in einer ehemaligen, historischen Bank eröffnet wurde und ebenso viele, schmale, verschaltete Gänge hat.

Besonders genial war der Weg zur Bar. Diese hat zwar auch einen eigenen Eingang von der anderen Seite des Hotels, doch würde ich - wie man sich inzwischen vielleicht denken kann - jedem raten, die Route durch das gesamte Hotel zu nehmen, um sich inspirieren zu lassen. So durchstreift man den wunderschönen, begrünten Innenhof durch einen gläsernen Tunnel, bei Nacht fühlt sich das in dem europäischen Setting, mit schön inszenierter Beleuchtung entlang des Gebäudes und Hofes, ein wenig nach einem neuen James Bond-Film an.

Copyright: Pulitzer Hotel


Dieser Eindruck wird natürlich noch mehr verstärkt, wenn man in die ebenso stimmig designte Pulitzer's Bar selbst kommt. Ein wenig offensichtlicher Richtung Art Deco, aber mit Elementen, die es weiterhin mit dem Rest des Hotels verknüpft, gefällt auch hier insbesondere das Licht. Perfekt in der Intensität gedimmt, sodass man alles noch erkennen und lesen kann, aber sofort in seinen Plätzen versinken möchte, da es so heimelig dunkel ist. Es klingt so selbstverständlich, aber oh boy, saß ich schon in vielen Top Bars mit viel zu hellem oder dunklem Licht-Setting. Die Musik ist zu unserem Besuch passend zum Setting 20s und 30s Soul und allgemein Black Music gewesen, unaufdringlich, passend, wie auch der Rest hier. Das Publikum angenehm, durchmischt, aber relativ elegant, der Service ebenso. Durch die recht große Theke und Location an sich ist es keine Bar, in der man sehr einfach das längere Gespräch mit dem Barpersonal findet. Aber selbst zu meinem kurzen Besuch lernte ich nette, offene Hotelgäste kennen, von denen sogar (gute) Drinktipps kamen. So entstehen schöne Erinnerungen und wenn man wiederum konkret bestellt, dann war das Personal äußerst hilfreich und nahmen sich auch die Zeit für Fragen. Die Ausbildung in einem klasse 5-Sterne Hotel wird deutlich, aber ohne je aufgesetzt zu wirken, so muss es sein.

Das Barmenü ist - Spoiler der kommenden Amsterdam-Artikel - wie gefühlt fast alle in der Stadt, an eben jene selbst angelehnt. Seien es die Viertel, die Emotionen, die Architektur, in fast jeder Bar wurden die Kategorien an Amsterdam selbst aufgeteilt, eine interessante Eigenheit der Stadt. Schön, wenn die Bewohner ihre Stadt anscheinend sehr wertschätzen und sie so würdigen. Hier waren es konkret architektonische Elemente, Zierelemente oder beispielsweise "Dutch Materials" in denen wiederum passend die Hauptzutat ein niederländisches Produkt war (z.B. Genever, etc.). Typisch für moderne Menüs 12 Drinks, typisch für moderne, aber nicht ultra-progressive Hotelbars, quasi alle Twists auf Klassiker. Dabei aber interessante und teils auch sehr weitreichende.

The Bushwacker

| Woodford Reserve Bourbon
| Roiboos Tea
| Coffee Syrup

Als eh großer Freund von Signature Old Fashioneds, sprach mich direkt der Bushwacker von der Sonderkarte zur "Old Fashioned-Week" von Woodford Reserve an. Als wie erwähnt ein Sitznachbar ihn mir von selbst direkt empfahl, während ich noch grübelte, war die nötige Entscheidung klar. Wenn Tee nicht genug ist, einfach Kaffee auch noch direkt in den selben Drink, was will man mehr? Wie zu erwarten, brachte der Teesirup mit Roiboos eine tolle, rotfruchtige, aber eben auch blättrige, trockene Note in den Old Fashioned, der Coffee Syrup war sehr dezent, gut ausbalanciert, hätte den Drink theoretisch schnell überlagern können, tat es aber zu keiner Zeit. Ergo ein wundervoll gelungener Signature OF mit spannenden Zutaten, ideal.

Direttore

| Plantation 3 Star
| Cacaonib
| Sandalwood
| Raspberry

Ein smarter Riff auf den zu Unrecht selten zu sehenden El Presidente, einer meiner liebsten Klassiker aus der 2. Reihe. Also einer derer, die einem nicht sofort bei der Frage nach den ganz großen der Geschichte einfallen. Zwar fehlt hier völlig der eigentlich wichtige trockene Wermut, der je nach Rezeptur sogar die Hauptzutat bildet (heutzutage wird eher der Rum fokussiert), doch soll hier die Trockenheit der Kakaonibs und des Sandelholzes diesen quasi direkt per Infusion ersetzen. Diese werden nämlich direkt im Plantation Rum mazeriert, was ihn nochmal deutlich trockener macht und das ganze wird dann lediglich noch mit frischem Himbeersirup (statt der historischen Grenadine) veredelt, gestirred, fertig. Ausbalanciert, easy, smooth, hätte er für meinen Geschmack vllt. tatsächlich noch so einen Barspoon Dry Vermouth für meine persönliche Vorliebe vertragen können. Trotzdem ein klasse easy-going Rumdrink und Infusion-Twist auf einen Classic.

Die Pulitzer Bar war ein idealer Einstieg in meine 2-tägige Bartour in Amsterdam. Im Hotel selbst konnte man eine toll umgesetzte Fusion aus dem historischen und dem progressiven Amsterdam auf den Punkt konzentriert kennenlernen und bestaunen. Währenddessen punktete die Bar selbst mit einem hohen Wohlfühlfaktor durch feinen Service, kuschelige Lichtstimmung, tolles Design und eine Barkarte, die für jeden Geschmack etwas bereithielt. Eine sichere Empfehlung für jeden Amsterdam-Besuch, wäre mehr Zeit dagewesen, hätte ich mich sicherlich noch durch 1-2 weitere Drinks probiert. Stay tuned für ein halbes Dutzend weiterer Bar-Reviews aus dieser schönen Stadt mit ihren reizenden Kanälen.

PS: Eine besonderer, kleiner Tipp sind die toasted Brioche mit Trüffelbutter, ein Traum, wie sicherlich auch der Rest der durchaus netten Essenskarte.

Previous
Previous

#23 | Barreldier, Athens, Greece

Next
Next

#21 | Spiritus, Mainz, Germany