#37 | Barro Negro, Athens, Greece


Last Visit: May 2023

Athen ruft uns wieder. Vielleicht liegt es am schwül-heißen Sommerwetter zum Zeitpunkt des Schreibens oder an der Tatsache, dass es etwas mehr als ein Jahr her ist, dass das LT-Team die Reise nach Griechenland unternommen hat. Aber es ist an der Zeit, endlich zu einem Überraschungshighlight zu kommen, das sich schnell seinen Platz, nicht nur auf unserer Favoritenliste für Athen, sondern vielleicht sogar weltweit, verdient hat.

Es ist vielleicht nicht die naheliegendste Verbindung, bei einem Besuch in der griechischen Hauptstadt an Südamerika zu denken, und für einige mag das Barro Negro von anderen großen Namen wie Clumsies oder Baba Au Rhum in den Schatten gestellt werden, aber die Authentizität und jede Menge Aromen haben eben einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Wie so viele Bars in Athen, sowohl zum Beispiel Clumsies als auch Barreldier, ist das Barro Negro sehr offen gestaltet, mit großen Fenstern und einem Außenbereich, in dem man bei wärmeren Wetter wundervoll entspannt sitzen kann. In dem cleanen, modern gestalteten Raum fallen sofort die hoch aufragenden Regale mit den Spirituosen ins Auge, die man vielleicht in einer asiatischen Hotelbar erwarten würde, aber nicht in einer sonst auch relativ kleinen Bar, die sich auf Agaven-Spirituosen spezialisiert hat. Im Gegensatz zu vielen Bars mit großen „Sammlungen“, in denen manchmal Reihen mit Campari-Flaschen „ergänzt“ werden, sind hier auch alle Spirituosen, bis zur Decke hin, probierenswert, spannend und dem Personal vertraut.

Falls es noch nicht aufgefallen sein sollte: Die Stärke des Barro Negro sind in erster Linie Tequilas und Mezcals, wobei sich der Name auf den einzigartigen Töpferstil bezieht, der seit Jahrtausenden mit Mezcal und anderen Getränken in Verbindung gebracht wird. Diese Tassen und Gefäße wurden für alte Rituale verwendet und sind heute ein geschütztes Kulturgut Mexikos.

Der Service ist so persönlich, absolut einladend, aber auch kenntnisreich, dass ich dachte, einer der Besitzer oder Besitzerinnen selbst stünde hinter der Bar, obwohl es „nur eine Barkeeperin“ war. Leider kann es vorkommen, vor allem bei Bars, die den Fokus auf eine spezielle Spirituosenkategorie setzt, dass Besitzer und Besitzerinnen selbst eine unglaubliche Leidenschaft für jene Spirituose hegen, selbst auch eine riesige Sammlung besitzen, aber nicht in der Lage sind, diese Leidenschaft auf das Team zu übertragen. Barro Negro ist der Beweis dafür, dass man ein Team haben kann, das zu 100% hinter einem Konzept steht.

Wenn man sich genauer ansieht und recherchiert, wer hinter dem 2019 eröffneten Barro Negro steht, kann man davon ausgehen, dass einige der derzeit führenden Tequila-Experten ihr gesamtes Wissen in diese Bar gesteckt haben. Häufige Reisen nach Mexiko und in die Region sind dabei ein wesentlicher Bestandteil des Projekts.

Sie bereisen auch den Rest Europas, um für hochwertigen Tequila und Mezcal zu werben, und so hatte ich das Vergnügen, Stelios Papadopoulos zum Beispiel während einer Gastschicht im TAG in Krakau, Polen, zu treffen.

Cristalino Old Fashioned

| Volcan Cristalino Tequila
| Peanut Butter
| Carob
| Sarsaparilla
| Aromatic Bitters

Zwei Worte: Super clean. Gleichzeitig hatte er die gewünschte Komplexität und einen seidenweichen Körper. Voller Erdnussaromen durch Fat Wash, von der eher trockenen Schale bis zum erdigen, dichten Kern der buttrigen Nuss. Das hinzugefügte Johannisbrot und Sarsaparille gaben ihm im Abgang leicht kräuterige und holzige Noten, während er selbst nach 30 Sekunden noch super nussig zurückblieb. In der Mitte werden die Geschmacksnerven von komplexen Tequila-, Kräuter- und Getreidenoten, Agave, Wachs und Honig umarmt. Eine perfekte, komplexe und moderne Old Fashioned-Komposition.

Barro's Last Word

| Bruxo X Mezcal
| Herbal Liqueur
| Maraschino
| Campari Vinegar
| Pomegranate
| Lime


Ein ziemlich ausgefallener Drink mit hausgemachter Granatapfelsalsa, einem wirklich mineralischen Mezcal, den wir aufs Haus dazu probieren durften, und grüner Chartreuse, die hinter dem „Kräuterlikör“ steckt. Eine Mischung aus sehr intensiven Noten, die dennoch gut zusammenpassten, aber wahrscheinlich nicht der Drink sind, den man einem Erstbesucher anbieten würde. Alleine in dem Moment fielen mir absolut geniale Kombinationen mit verschiedenen mexikanischen Gerichten ein. Rote Früchte mit einer gewissen Säure (Salsa und Essig gleichzeitig!) treffen auf die intensiven Kräuter der Chartreuse und den sanfteren Mezcal (was natürlich eine gute Wahl war, sonst wäre es viel zu viel). Ein ziemlicher Schritt weg von einem klassischen Last Word, aber faszinierend für sich.

Chango Tequilero

| Harradura Reposado Tequila
| Naked Malt Whiskey
| Brown Butter
| Banana
| Falernum
| Lime

In diesem Fall wurde der Tequila mit brauner Butter im Sous-Vide-Verfahren fatwashed, und im Gegensatz zu einigen anderen Experimenten in Bars, bei denen buttrige/fettige Noten auf säuerliche Noten trafen, wurde bei diesem das Gleichgewicht wirklich gefunden. Er tendiert leicht zu den herzhaften und deftigen Noten, was die richtige Entscheidung war. Irgendwo zwischen einem Royal Bermuda Yachtclub auf Eis, aber natürlich mit mehr deftigen und malzigen Noten, und einem Corn N' Oil mit seiner tiefen Komplexität. Die Limette war hier der feine Funke, der Kontrast, den man braucht, um die anderen Dinge mehr zu schätzen, wie die Prise Salz, die man beim Kochen immer braucht. Eine tolle, leicht zu trinkende, aber dennoch komplexe Mixtur.

Mestizo

| Siete Misterios Doba-yej Mezcal
| Herradura Reposado Tequila
| Basil
| Med Orange Liqueur
| Green Apple
| Lime
| Prosecco

Hier haben wir einen unserer 3 besten Drinks, die wir in ganz Athen während dieser ausgedehnten Bar-Tour getrunken haben. Eine intensive, kräutrige und grüne Variante des Old Cuban, was für eine großartige Idee. Er wird mit einem Cordial aus grünen, sauren Äpfeln und Limetten sowie einem hausgemachten Basilikum-Pesto und etwas Basilikumöl (oben auf den fertigen Drink gegeben) zubereitet. Er strotzt nur so vor intensiven grünen Aromen, Basilikum und Limette in der Nase, etwas Agave und Rauch schimmern ebenfalls durch. Bei der Verkostung bekommt man all das und sogar noch mehr, dank der Kohlensäure (des Prosecco) auch direkt ins Nervenzentrum aufsteigend. Agave, Basilikum en masse, aber frisch und zu keinem Zeitpunkt bitter, grüner Apfel gut integriert, kein Mikrogramm zu viel Säure dabei. Es trinkt sich im Grunde wie die beeindruckendste Variante eines Last Word, die man haben könnte, kombiniert mit einem Hauch vom Old Cuban. Loved it.

Wenn die kräftigen Signatures die Gäste noch nicht überzeugt haben, gibt es auch die Möglichkeit, jeden Tequila oder Mezcal zu probieren, entweder einzeln oder als Flight, fachmännisch ausgewählt für Anfänger oder um die verschiedenen Agavensorten zu entdecken.

(click to enlarge)

Nachdem wir uns also bereits durch etwa 4 Signature-Cocktails probiert hatten, erwartete uns ein netter Mezcal-Flight nach Wahl. Die einzige Vorgabe war: „Nicht der Prototyp-Erde-Rauchbombe Stil von Mezcal“ (man denke an Vida & Co.). Die Barkeeperin lieferte und wie sie lieferte. Als etwas leichteren Einstieg wählten wir bzw. sie den Las Milpas aus dem berühmten Hause Del Meguey. Eine Abfüllung aus einem einzigen Dorf, die ein angenehmes Aroma von Grapefruitschalen, Tabak, getrockneter Agave, maritimen Noten und Radicchio aufweist. Das Gleiche gilt für den Geschmack, nicht der komplexeste, aber elegant, weich und untypisch, mit Grapefruit, leichtem Leder, Salz und Agave.

Danach eine Sonderabfüllung zum 20-jährigen Jubiläum der ebenfalls recht renommierten Marke Alipus und hier wurde es richtig spannend. In der Nase viel grüne Frische, Gurke, Zucchini, Estragon und Basilikum, auch feuchte Algen und Mineralien. Beim Probieren findet man zu Beginn Bananenchips, dann Zucchini, Kokoschips, saftige, frische Agave und Aubergine, sowie Salz und Pfeffer. Für den letzten Tropfen habe ich in meinen Notizen zum Mezcal-Tasting von La Medida nachgeschaut, um die besonders fruchtige Agave zu finden, die mir so gut gefiel, und es stellte sich heraus, dass es Tobasiche war. Und tatsächlich fand sich eine Abfüllung von Macurichos, 50 %, kleine Charge, handgefertigtes Zeug. Noten von Himbeeren, rundum intensiv, Eukalyptus, mineralische Noten, Rosenblüten, Ingwer, Kampfer und Kardamom sowie Sternanis, Harz und Lavendel in Nase und Mund. Eine unglaubliche Abfüllung und eine perfekte Wahl vom Personal.

Für uns war noch nie so deutlich geworden, wie viele diverse Möglichkeiten es gibt, mit Tequila oder Mezcal zu mixen und mit ihnen so völlig unterschiedliche aromatische Kombinationen zu kreieren. Dieses einzigartige lokale (d.h. süd- und mittelamerikanische) Erlebnis auch nach Europa zu bringen, ist wirklich bemerkenswert. Obwohl wir natürlich schon auf Veranstaltungen und an Orten waren, die versucht haben, authentische Abfüllungen dieser Art zu präsentieren, hat uns keine Erfahrung so beeindruckt wie diese. Das alles ohne alberne Requisiten, kitschige Totenkopfdekoration, folkloristische Musik oder andere Assoziationen, die man beim Gedanken an eine „mexikanische Bar“ leider immer noch haben könnte.

Abgesehen von Baba Au Rhum war dies die einzige Bar in Athen, die wir zweimal besucht haben, und ich glaube, selbst wenn man an fünf Tagen in der Woche wiederkommen würde, gäbe es jeden Tag etwas Neues zu entdecken und zu probieren. Insbesondere wenn man bedenkt, dass wir uns noch nicht einmal mit den Möglichkeiten von Negronis, Palomas und anderen Cocktails auf der Basis von seltenem Tequila und Mezcal beschäftigt haben.

Cheers

/jf /rds

Ein Blick auf den Innen- und Außensitzbereich (links von der schwarzen Säule):

Copyright: Flag / Barro Negro

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