#25 | Tiny Cup, Frankfurt, Germany


Last Visit: July 2023


Das Tiny Cup in Frankfurt ist ein interessantes Konzept und lädt, sobald einmal im Recherchewahn nach dem erneuten Besuch, zu einigen Gedankengängen ein. Viel gibt es zu lesen, obwohl die Bar ja eigentlich so klein ist; kein Artikel online, in dem sie nicht "die vielleicht kleinste Bar Deutschlands" genannt wird. Besonders spannend auch die Kombination: Das Tiny Cup gehört zusammen (siehe Logo) mit dem Seven Swans, einem progressiv-veganen Restaurant, das immerhin (Stand 2024) einen Michelin-Stern, sowie den grünen Michelin-Stern sein Eigen nennen darf. Wirklich durchscheinen tut dies jedoch nicht, bei keinem meiner/unserer zwei Besuche in Winter und Sommer, stach das Menü durch besonders prägnante Kulinarik heraus, im Vergleich zu anderen Highclass-Bars. Auch kann man leider nicht einzelne, kleine Kreationen von oben ordern, das wäre ein echtes Highlight. Trotzdem ist die Kombination in einem Haus untereinander ein cooler Bonus und lädt zu einem Doppel-Besuch ein.

2015 wurde die Bar von Sven Riebel gegründet, zu dem Zeitpunkt bereits bekannt aus dem Gründungsteam des namhaften Gekkos (ebenfalls in FFM) und dem von mir auch sehr gemochten Lebensstern in Berlin, R.I.P., sowie der Victoria Bar. Das komplett eigene Projekt des Tiny Cup, so kann man im Mixology Eintrag lesen, ist mit seiner Größe nachvollziehbar und coolerweise von der Mikro-Barszene in Tokyo inspiriert, das passt. Hier übrigens der Verweis auf eine nettte Podcast-Ausgabe der Mixology mit ihm. Designt wiederum wurde das Ganze von Hidden Fortress, einem Designstudio aus Berlin, das so einige coole Projekte bearbeitet hat, wie die Berliner Bar Zentral. Und in der Tat erkennt man in Farben und Details Ähnlichkeiten, auch wenn sie so fokussiert im kleinen Raum noch intensiver wirken.

Man beachte den nicht ganz ernstgemeinten, kritischen Blick ob der Positionierung draußen ;)

Frisch angekommen und eigentlich froh, nach dem soweit vielgelaufenen und anstrengenden Tag mit kurzzeitigen Regenergüssen, in einer kleinen, gemütlichen Bar Platz nehmen zu können, wurde man leider erstmal mit einer sehr netten Begrüßung am Eintritt "gehindert". Bis sage und schreibe Oktober (also um die 3-4 Monate jedes Jahr im Sommer) werde man nur draußen bedienen und Drinks servieren, etwas schade und nicht ganz unproblematisch, bei - wie an dem Tag - 20 Grad und fast schon Dauerregen. Aber man will sich dem Schicksal nicht verwehren und man vertraut auf den guten Namen der Institution. Die Bedienung ist dabei auch draußen selbst in den kurzen Interaktionen, die natürlich nicht so ergiebig ausfallen werden, wie direkt an einer Bartheke, sehr zuvorkommend, casual freundlich und doch mit einer angenehmen Distanz.
Die Plätze sind tatsächlich ausschließlich 3 Kissen auf der Stufe vor dem Fenster, sowie 3-4 kleine Stehtische auf den Pollern am Bürgersteig, jedoch nett gemacht aus Baumscheiben.

Das Menü ist mit mehr oder minder großem Augenzwinkern unter dem Titel "Tiny Winey - Urbane Spritzeria - Mainkai am Meer 2023" (no comment on that) aufgeteilt in Spritz-Varianten, mit Soda oder verschiedenen Schaumweinen, "Kubanische Wochen" (Kubarum-Drinks in Partnerschaft mit Eminente), diverse, eher simplere Longdrinks als "Schorlen" und die durch ihre spannenden Twists direkt uns in Auge gefallene "Negroni"-Kategorie.

Was uns immer zusagt: Fast alle Zutaten werden auch konkret benannt, Marke oder Abfüllung, usw. Man weiß als jemand mit etwas mehr Kenntnis sofort, worauf man sich ca. einlässt und muss sich nicht in manchmal sehr nervigem Rätselraten ob extrem schwammiger Substantive wie "Orange" (Saft, Likör, Bitters…WHAT IS IT?!) etc. aufgehen.

Dryoni

| Paranubes Rum
| Berto Dry Vermouth
| Borges White Port
| Gran Classico
| Aprikose


Man kennt es, manche Drinks sprechen einen immer beim ersten Überfliegen direkt an. Ein White Negroni, dann noch mit weißem Port - meine liebste Ausprägung fortifizierter Weine überhaupt -, Rum auch noch, count me in. Erwartet hat einen das perfekt balancierte Sommer-Negroni-Erlebnis mit trotzdem ordentlich Aromatik. Floral, frisch und leicht süß in der Nase mit Zuckerrohr, Trauben und Aprikose, sowie zarten Kräutern. Ähnliches beim Probieren, passend zum Namen, merkt man natürlich hier das wichtige Gegengewicht der Trockenheit des Wermuts, sowie des top Aperitifs Gran Classico von Tempus Fugit aus der Schweiz, die ja auch erst noch ein schlechtes Produkt herausbringen müssen. Komplex und fast schon wuchtig, die Aprikose als süßendes Element, der weiße Port eher dezent, ein rundum gelungener, wenn auch schon recht weit interpretierter Negroni.

Beete & Beere

| Nuestra Soledad Mezcal
| Cinzano 1757 Rosso
| Nordcraft Beete & Beere
| Campari
| Borges Tawny Port


Rote Beete und Mezcal sah man ja durchaus häufiger auf Menüs der letzten 2-3 Jahre, aber als Negroni und dann noch mit Tawny Port, sprach uns auch diese Negroni-Variante (als nicht die größten Freunde von Campari) sofort an. Letzterer kommt gottseidank auch sehr dezent durch, gibt ein wenig herbalen Biss dazu, dominiert wird der Drink jedoch von der namensgebenden, fantastisch abgestimmten Kombination aus roten Waldfrüchten und roter Beete. Diese ist dabei auch eher frisch-fruchtig in ihrer Aussage, als sonderlich vegetal, im Gegensatz zu manch anderem Drink mit ihr. Der Tawny Port scheint hier das ideale letzte Puzzlestück gewesen zu sein, um den Drink wirklich abzurunden, gerade auch für den Sommer. Der Mezcal ist eher eine von vielen Noten, es ist nicht wirklich in der Nähe eines klassischeren Mezcal-Negronis, gibt hier nur eine feine Dimension mehr dazu, mit einem Tick Agave und dem hier auch eher dezenten Rauch. Feinstes Negroni-Handwerk.

Nicht unerwähnt soll auch das kleine Focaccia als Snack bleiben, klasse zubereitet, crispy, mit kleinen Snacks anbei, passend zum Aperitivo und Sommerthema des Menüs. Wie in den Fotos zu sehen ist auch das Eis dem Niveau angenemessen, hochklassig, die Drinks passend zum Thema und Wetter minimalistisch, aber nett mit essbaren Blüten geschmückt.

Das Tiny Cup hat sowohl in seinem angenehm entspannten und freundlichen Personal, als auch seiner kreativ-lässigen Art, vom künstlerisch anspruchsvolleren Instagramprofil, bis zum casual Menü mit dem ein oder anderen Augenzwinkern, viel zu bieten für so eine kleine Bar, das deutlich größeren "Konkurrenten" oft fehlt.

Man hat selbst draußen vor dem Fenster im Sommer eine gewisse Wohlfühlatmosphäre und hofft mit dem wenig Platz und der etwas kleinen Auswahl an Sitzmöglichkeiten umso mehr, alsbald auch wieder drinnen Platz nehmen zu können und wieder - wie vor 2 Jahren - ein kräftigeres Oldschool-Menü durchzuprobieren. Abwechslung tut ja bekanntlich gut und stand während diesem Besuch auch dem Tiny Cup ausgezeichnet. Wären wir nicht auf durchaus längerer Bartour gewesen, hätte man am Ende sicherlich auch den Abend ausschließlich hier genießen können, mit Aperitifs der besonders guten und interessanten Sorte!


Das Menü (Sommer 2023)

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