Adriatico Amaretto
Amaretto… wo fangen wir hier nur an? Sagen wir mal so: Amaretto ist eine Kategorie von Likör, die so aus der Mode war und wie wenige andere (Melonenlikör hust Midori hust) mit Negativbeispielen verbunden, dass sie mir generell vielleicht eine handvoll mal überhaupt in den Sinn kam über die letzten Jahre. Nun gibt es Adriatico schon seit 2018, wirklich präsent international sind sie seit zwei Jahren und die Lobesyhymnen und positiven Stimmen machten mich auch interessiert, es schien jedoch immer wichtigeres zu geben, als diese "sonderbare" Kategorie aus vergangenen Tagen.
Schönerweise konnten mich die zugesandten Proben jetzt eines besseren belehren und ich kann vorweg sagen: Positiv überrascht ist noch ein Understatement.
Doch beginnen wir wie immer von vorne: das Äußere. Oder vielleicht sogar noch weiter voweg: der Auftritt an sich. Eine wirklich ansprechende Designsprache zieht sich nämlich abseits der Flaschen selbst auch durch das Markenbranding. Eine moderne, übersichtliche Website, das Packaging selbst der Samples ist sehr ansprechend. Und dann die Flaschen erst… Ich bin ja inzwischen etwas kritisch bei zu überdesignten, neuen Marken, die extrem viel Aufwand in ein gewisses Retrodesign für eigentlich moderne Brands stecken. Aber GOTT, ist dieses Art Deco inspirierte Design perfekt getroffen. Ikonische Form, ikonisches Logo, für mich als Liebhaber der Kunstströmung aus den 20ern und 30ern ein Nobrainer, wunderschön. Respekt an jeden, der zu diesen Designentscheidungen beigetragen hat, Grüße gehen nach Italien.
Nun zum Inhalt, denn der lässt weiter hohe Qualität hinter dem schicken Äußeren vermuten. Wie man auf jeder Shopseite offensiv vermarktet lesen kann und das zu Recht: Adriatico wird ausschließlich aus lokal geernteten Filippo Cea Mandeln aus Apulien hergestellt. Dabei ist nicht nur das lokale oder die Mandelsorte besonders, sondern schon bei Mandeln an sich fängt es an. Denn: Die meisten Amarettos werden ohne sie hergestellt oder nur mit einigen Tropfen Extrakt, aber eigentlich aus Aprikosenkernen produziert…
Die Mandeln werden geröstet (was man deutlich merkt), in Alkohol mazeriert und das ganze in Folge leicht gewürzt mit Kakao, Zimt, Kaffee, Vanille und einem Hauch italienischem Meersalz. Adriatico wirbt dabei mit der Hälfte an branchenüblicher Zuckerbeigabe, nun kenne ich die Branchenwerte nicht. Sucht man jedoch, findet man bei 1-2 Händlern die Angabe von 205gr/l, was durchaus für einen Likör mit 28% und in der Kategorie nach recht wenig klingt. Man denke daran, dass "Creme"-Liköre, wie "Creme de Banane" usw. eine Mindestmenge von 250gr enthalten müssen.
Wie man unten auch an den Notes erkennen kann, hat mich an den Adriaticos insbesondere überrascht und dann auch begeistert, eine wirkliche Entwicklung im Glas vorzufinden. Nicht so üblich bei vielen Likören, insbesondere Amarettos, mit denen man eine Eintönigkeit und Plumpheit verbindet aus den letzten Jahrzehnten. In den ersten 20 Minuten kann man einiges entdecken in beiden Bottlings und auch die Unterschiede in den zwei Abfüllungen werden größer und augenscheinlicher. Dabei zeigen sich im Caroni Cask deutliche Einflüsse des Rums, ohne dabei davon abzulenken, dass es ein Amaretto ist. Etwas Tropik, Melasse und Kirschkerne sind dabei die Hauptmerkmale, um die das Erlebnis erweitert wird, zartere Noten wie die Rose sind dafür weg und er kommt auch nicht so salzig rüber wie der Amaretto ohne Rumfasslagerung.
Für Beispieldrinks könnt ihr euch die Artikel zu meiner leicht erweiterten Eigenkreation, dem French Bond, anschauen, sowie den genialen The Wind-Up mit Islay Whisky oder auch die demnächst erscheinenden Squeaky Wheel mit Mezcal und den Solera Sidecar. Wie bei allen modernen Spirituosenmarken, bietet Adriatico dabei auf der eigenen Website auch ein paar Rezepte an.
Amaretto Adriatico
Nose:
Was mich überrascht: Er braucht Zeit zu atmen. Selten bei Likören und gerade hier weniger erwartet von mir, aber doch. Anfangs denkt man großteils an die erwartbare Marzipannote, auch wenn sie deutlich runder und ausgebauter ist, als bei den bisher probierten Amarettos (die zugegeben, nicht viele sind). Doch nach 10-15 Minuten beginnt sich eine kleine, aber feine Aromenwelt aufzutun, geröstete Mandeln, ein Hauch toasted oak, ich würde gar behaupten zwischendurch einen Hauch der Kakao/Kaffee-Noten zu vernehmen, jedoch zu dezent um zu bestimmen was von beidem es sein könnte, sowie ein Hauch Rose. Und es hört nicht auf, nochmal 10 Minuten später werden die würzigeren Noten immer intensiver und Salz wird auch merklicher.
Taste:
Natürliche Honigwaben direkt vom Imker in die Hand gegeben, geröstete Mandeln in schönster Form, dazu salzige Mandeln ebenso, Kaffeenoten sind das erste, was sich danach bemerkbar macht, Milchschokolade, toasted oak, Zimt, ein Hauch Muskat
Finish:
Zimt, Muskat, gesalzene Mandeln, Eiche, Manukahonig, Walnuss
Amaretto Adriatico Caroni Cask
Nose:
Ähnliche Überraschung wie bei dem Standard Roasted: Er braucht Zeit. Die ersten 5 Minuten konnte ich nur minimalste Unterschiede zum Basic Bruder vernehmen, vllt. einen Tick Melasse im Hintergrund, mehr schien sich nicht zu unterscheiden. Doch sobald sich die Nase gewöhnt und der Likör etwas im Glas lag tut sich doch ein mittelgroßer Graben zwischen beiden auf. Hauptsächlich eine sehr intensive Note von Orangenöl, -zesten und ein Hauch Papaya, die Orangennote mit etwas Lampenöl erinnert tatsächlich soweit an Caroni. Frische Vanille, geröstete Mandeln, natürlich weiterhin merklich Marzipannoten und etwas Ingwer kommt durch. Salted Caramel und ein Hauch frische Kaffeebohnen tauchen auch später auf und etwas Kirsche.
Taste:
Spannend, eine halbe Sekunde die exakt selbe frische Honigwabennote, dann aber sofort feine Melasse, ein Hauch Funk, Lampenöl, Kerzenwachs, Orangenzesten, Kaffee, Salted Caramel, Kirschkerne, Papaya, Mandelmilch, etwas cremiger als der normale wirkend, deftiger, aber gleichzeitig auch frischer, eine gewisse Zuckerrohrnote gibt ihm Intensität und auch Frische
Finish:
Kirschkerne, Kakaobohnen, toasted oak, Orangenöl, Melasse
Die Proben wurden von Kirsch Import zur Verfügung gestellt, danke.