Ferreira 1900-1972 Reserve Port
Auch wenn Ferreira Port in Deutschland verhältnismäßig weniger bekannt ist und man hier eher Niepoort, die Briten mit Graham's und Taylor's, sowie das ebenfalls historisch wichtige Royal Oporto sieht, kann man das Haus durchaus zu den Kernsäulen der portugiesischen Welt des Ports zählen und muss es sogar. Denn in Portugal ist Ferreira tatsächlich die Nr. 1 in Konsum und auch vielen Ratings. Einer der weltweit größten Port-Exporteure, mit über 300 Hektar eigener Rebflächen, hat Ferreira auch historisch wichtiges für den Portkonsum getan und manch wichtige Persönlichkeit hervorgebracht.
Zu letzteren zählt insbesondere Dona Antónia Ferreira, auch liebevoll vor Ort im Duoro Tal "Ferreirinha" genannt. Die Urenkelin des Firmengründers gilt als eine Art Nationalheilige. Bei einer 2007 vom öffentlich-rechtlichen Fernsehsender RTP veranstalteten Wahl zum "Größten Portugiesen aller Zeiten" wurde sie auf den 39. Platz gewählt. Wie sie das geschafft hat, über 110 Jahre nach ihrem Tod 1896?
Als sie mit gerade einmal 33 ihren Mann, den Vorsitzenden des Ferreira-Hauses verlor, zog sie mit ihrer kleinen Tochter in die unwegsame Gegend des oberen Douro, übernahm die Firma ihres Gatten und führte sie mit großem geschäftlichen Geschick, bemerkenswertem Pioniergeist, vor allem aber mit einem außergewöhnlich ausgeprägten sozialen Gewissen an die Spitze aller Portweinhäuser, das zu der Zeit sogar großteils noch traditionellen Wein herstelle.
Sie modernisierte den Prozess der Portwein-Herstellung, kreierte neue Portweine, erweiterte den Wein-Anbau und setzte sich gegen die Vernachlässigung der Portwein-Produktion seitens der Politik ein. Unter ihr erlangte Ferreira weltweit Bekanntheit, insbesondere infolge der umfangreichen Exporte in das Vereinigte Königreich. Sie vermehrte das Familienvermögen deutlich. Parallel entwickelte sie wohltätige Aktivitäten in ihrer Heimatregion und half Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten einzurichten.
Von Ferreira verkosten wir heute einen 1900 Reserve, abgefüllt in die Flasche 1972, eine absolut wundervolle und besondere Gelegenheit. Bei Portwein ist es teils nicht ganz so einfach bei sehr alten Bottlings wirklich die Begrifflichkeiten zuzuordnen, selbst Menschen mit deutlich mehr Port-Erfahrung als meine Wenigkeit, mussten teils selbst ihre Gedanken neu sortieren beim Einordnern der ein oder anderen alten Bottle, von denen ich ihnen Fotos zuschickte. "Reserve" wird heute in dem Sinne eigentlich nicht mehr genutzt, wie manche anderen alten Begriffe auch nicht. Hier haben wir quasi einen Jahrgangs-Port, der aber wie ein Tawny gelagert und hergestellt ist, nicht zu verwechseln mit Vintage oder LBV-Ports, eher einem Colheita entsprechend. Gelagerte Portweine, die nicht weiter in der Flasche reifen und trotzdem die Charakteristika eines Jahrgangs nahebringen sollen. In einem späteren Artikel werden wir tiefer in die Geschichte des Ports im Allgemeinen eintauchen und euch einen Eindruck aus erster Hand aus Porto selbst vermitteln, wohin John im November 2023 gereist ist.
Wie in den Notes ersichtlich ist das tolle an solch Erfahrungen, dass man immer wieder überrascht wird wie so uralte alkoholische Getränke, in diesem Fall ja auch keine 40%-ige Spirituose, trotzdem noch ihre Lebendigkeit behalten haben. 124 Jahre nach der Ernte und inzwischen auch über 50 Jahre nachdem sie in die Flasche kamen. Drei Jahre vor dem in die Flasche füllen, ist die Menschheit erstmals auf dem Mond gelandet! Wie auf der obigen historischen Abbildung zu sehen ist, wurde dieser Wein damals noch mit dem Schiff transportiert, um zu reifen. Viele der großen Jahrgänge hatten eine beschwerliche Reise durch das Douro-Tal hinter sich, und während einige den Transport nicht übestanden, hat dieser Wein es geschafft. Der Wein strotzt nur so vor Sonne und Seele.
Robin D. Strippel Notes
Nose:
Schöner Kräuterhonig, ein wenig süßer Tabak, Milchschokolade, helle Rosinen, etwas Kampfer und kandierter Ingwer, insgesamt eine relativ helle, aber auch sehr süße Nase, nette Balance, die hellen Rosinen haben noch etwas Restsäure in der Nase
Taste:
Ähnliches Spiel hier, zunächst schöner, heller Kräuterhonig, dann intensiv helle Rosinen, Sonne scheint fast herauszuleuchten, nicht diese düster-rotfruchtige Art und sie haben auch nach all der Zeit noch schön Säure bewahrt, etwas feiner Tabak und Kampfer, Macadamianüsse, erinnert tatsächlich sehr an manche Madeiras, Trockenfrüchte
Finish:
Einen Hauch alte Bücher, was er sonst null hatte, Hauch Vintage-Flair, Macadamianüsse, Trockenfrüchte, schön lebendig, mittellang bis lang, Aprikosen getrocknet
91 Points
John Frose Notes
Nose:
Brauner Zucker, alte, edle Marmelade, Sojasauce mit einem Hauch von Honig, mit mehr Zeit auch Pflaumen und Feigen, Farbe ist ein helles Braun
Taste:
Voller Körper mit einem Hauch von bitteren Kirschen und Pflaumen, dunkler Honig, Umami, aber mit einer süßeren Note, Kaffee, Scheibe Roggenbrot, Pflaumenmarmelade, die mit der Zeit in hellere Aprikosen übergeht, kürzerer Abgang, manchmal typisch für Colheita, erinnert nicht so sehr an rote Früchte, dafür schöne Aprikosen mit einem Hauch der Kerne
92 Points