#54 | Bar Zentral, Berlin, Germany
Last Visit: Fall 2024
Es gibt viele Gründe, warum eine Bar auf der Liste meiner persönlichen Favoriten landet. Da wir uns nun endlich einen weiteren dieser Namen vornehmen, ist es die perfekte Gelegenheit zu erläutern, warum die Bar Zentral in Berlin eine Meisterklasse der Kontinuität liefert. Nach den Bildern allein zu urteilen, könnte man meinen, dass es das Design war, das mich am meisten überzeugt hat. Es war aber stattdessen die Tatsache, dass zwischen meinem allerersten und meinem allerletzten Besuch ziemlich genau 10 Jahre vergangen sind, und beide Male hat die Bar genau das geliefert, was ich von ihr wollte. Das Ganze mit einer Leichtigkeit, die man an so vielen anderen Orten vermisst.


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Keine Frage, das preisgekrönte Design und die passend urbane Lage direkt neben dem Bahnhof Zoo und dem Waldorf Astoria machen neugierig. Genau wie Buck & Breck, ein weiterer „Berliner Klassiker“, bietet die Bar Zentral eine gewisse „Simplizität“ und Geradlinigkeit. Bei meinem ersten Besuch, als der Curtain Club auf seinem qualitativen Höhepunkt war und ich alle Hotelbars in Berlin ausprobierte (einschließlich der Lang Bar im Waldorf auf der anderen Straßenseite), war es eine spontane Entscheidung, die Bar Zentral als letzte Station einer langen Bar-Tour aufzusuchen.
Die Karte war damals schon nicht viel anders als heute, vergessene und leicht abgewandelte Klassiker mit einem tollen (und heutzutage gar nicht mehr so häufig auffindbaren) Fokus auf die Spirituosen, wo es nötig war. Ein bisschen wie eine moderne Bar im Tiki-Stil (was angesichts des nahe gelegenen Zoos und der Tatsache, dass das Logo eine Palme beinhaltet, eine offensichtliche Assoziation sein könnte). Einen Rob Roy kannte ich bis dahin nur aus dem Seiberts in Köln. Auch Rum Old Fashioneds, vor allem mit nicht standardmäßigem und unabhängig abgefülltem Rum, hätte ich in einer Bar, die im Grunde unter Bahnschienen liegt, damals nicht erwartet.
Ich erinnere mich noch gut daran, dass es ein paar verschiedene Mezan Rums im Regal gab, die sich perfekt für höherklassige, aber trotzdem kosteneffektive Rum OFs, Rum Negronis usw. eignen. Das war besonders noch vor 10 Jahren gar nicht mal so üblich, denn leider war der Vertrieb nie stark genug, um wirklich als Marke in den (Bar-)Regalen im ganzen Land präsent zu sein. Damals gab es auch schon hauseigene Wermut-Blends, die zu allen Arten von gerührten Cocktails und maßgeschneiderten Vorschlägen passten.



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Als wir, d. h. Robin und ich, auf unserer letzten Berlin-Reise waren, ergab sich also die perfekte Gelegenheit, die Bar Zentral erneut zu besuchen und sie für den Platz auf meiner persönlichen Bestenliste „zu testen“. Robin war in der Zeit zwischen meinem ersten und meinem letzten Besuch allein dort gewesen und wird im Folgenden die Drinks beschreiben, die er getrunken hat (wie immer gekennzeichnet durch das „/rds“ nach jedem Drink). Wenn bezogen auf diesen einen Abend vor zehn Jahren nur meine Nostalgie aus mir gesprochen hätte, dann wäre es bei einem gemeinsamen Besuch ein Jahrzehnt später offensichtlich gewesen. Wir nutzten die angenehmen Öffnungszeiten (schon ab 17 Uhr!) und gingen früh und vor unserem eigentlichen (überfüllten) Zeitplan am Abend. Normalerweise ist das die Zeit, in der die Bars vielleicht auf Aperitivo-Menüs umstellen. In der sie in Orten wie München mangels Kunden und Kundinnen nicht einmal die Bar öffnen, oder die Zeit, in der das weniger erfahrene Personal Schicht hat und die Drinks nicht abliefern.
Ich wollte mir etwas Leichtes gönnen, um Energie für den bevorstehenden Abend zu sparen, also entschied ich mich statt für die schweren Old Fashioneds für einen meiner traditionellen Drinks zum Testen: Einen Fizz. Wer lesen möchten, warum das Handwerk um den Drink die Qualität einer Bar gut abbildet und warum dieser Cocktail in meiner Barreise eine Rolle spielt, kann gerne einen Abstecher zu diesem Artikel machen.
2666
| Alipus Mezcal
| Cocchi Americano
| P.X. Sherry
| Plum Bitters
Ein absolutes Juwel unter gerührten Cocktails. Auch einer meiner drei Favoriten (einschließlich derer, die John und Martin hatten!) auf unserer letzten Berlin-Tour, bei der wir über zehn Bars besuchten. Einfach, elegant, voller Aromen, aber auch absolut ausgewogen in Bezug auf den Alkoholgehalt. Der Cocchi verleiht einer ansonsten recht dunklen und schweren Kombination von Zutaten die gewisse schöne, helle Leichtigkeit. Insgesamt ergibt sich eine komplexe Kombination aus erdigen, leicht gerösteten Agaven-Noten, Datteln, Pflaumen, Nüssen und leichten Trauben, Wiesenhonig und Kräutern aus dem Cocchi.
/rds
Glamorama
| Finlandia Vodka
| White Port
| Lemon
| Vanilla Soda
| Orange Flower Water
Da White Port eine leider sehr unterschätzte Zutat ist und ich auf der Suche nach einem leichten Cocktail war, fiel mir die Entscheidung leicht. Der Drink ist definitiv eher süß als frisch/sauer. Ich bin eigentlich nicht der größte Fan des ebenfalls mit Orangenblütenwasser getränkten Ramos Gin Fizz, den viele Barkeeper als Gast an anderen Theken lieben (und beim eigenen Zubereiten hassen), aber hier passt die süße Blumigkeit gut zur Vanille und den exotischen, gelben Früchten des Portweins. Wie bei allen anderen Drinks, die ich bei Zentral getrunken habe, bleiben auch hier alle Zutaten geschmacklich erhalten (der Wodka in seinem Alkohol, nicht in seinem Geschmack natürlich). Ein Fizz, der auf gehobene Hotelbars anspielt und nicht auf die vielen schlechten Kopien für die Aperol Spritz Kundschaft.
Funchal Manhattan
| Wild Turkey 101 Rye Whiskey
| Talisker Single Malt
| Madeira
| Ruby Port
| Walnut Bitters
Wenn ich mich recht erinnere, war dies mein erster Cocktail im Zentral vor ein paar Jahren und zeigte sofort die Stärken der Bar. Insgesamt ist er meinem anderen Favoriten, dem 2666, sehr ähnlich. Das heißt, eine Kombination aus eher herzhaften, dunklen, fast rustikalen Noten mit einer eher leichten und hellen, Aperitif-artigen Zutat. Dort war es Cocchi, hier Madeira. Schöne Noten von wilden Roggenfeldern, dieser leichte Rauch und Chili von Talisker und dann einige rote Trauben und Beeren, mit einem leicht nussigen, trockenen Abgang. Etwas stärker als der 2666, was an den Zutaten liegt, aber natürlich auch daran, dass es sich um einen Manhattan handelt und er deshalb straight up serviert wird. Alles in allem ein toller Manhattan-Riff, der mich an gute Zeiten im Les Fleurs du Mal in München erinnert.
/rds
Kafir Lime Ti Punch
| Banks 5 Rum
| Rhum Agricole
| Yuzu Sake
| Lime
| Kafir Lime Leaves
Und das letzte Beispiel für eine leicht verständliche und dabei sehr ausgewogene Abwandlung eines Klassikers, und zwar eines (zumindest in Deutschland) unterschätzten Klassikers. Der Ti Punch mit seinen nur leicht säuerlichen Noten, der traditionell nur ein wenig Limette enthält. Er bietet eine gute Gelegenheit, mit dem Yuzu-Sake eine zusätzliche säuerliche Komplexität und mit den Kafir-Lime Leaves eine leichte grüne Frische beizufügen. Mit diesen Zusätzen wird er saurer als ein Ti Punch der alten Schule, aber es ist immer noch ein weiter Weg zu einem Daiquiri, und das ist gut so, denn so bleibt er seinem beabsichtigten Charakter treuer. Frischer Rohrzucker, alle Arten von Zitrusschalen, der Banks 5, Yuzu, echte Limetten und dann diese leichte kulinarische Note der Kafir-Limettenblätter
/rds
Teile des Menüs während unserer Besuche (für Originalgröße anklicken):
Was mir jedoch am besten gefiel, oder besser gesagt, was das letzte Teil des Puzzles war: Die Atmosphäre. An diesem ersten Abend vor über 10 Jahren gab es ein paar Stammgäste und ich als völlig Fremder wurde sofort am Tresen begrüßt. Als die Bar offiziell schloss, konnten die Stammgäste, sowie ich noch bleiben, und das Personal saß mit uns zusammen, unterhielt sich über ihre neuesten Ideen, zeigte die aktuellsten Flaschen und probierte verschiedene Dinge aus. Man hatte nie das Gefühl, arrogante oder mit Auszeichnungen herumwedelnde Barkeeper neben sich zu haben. Die allgemeine Stimmung war dieselbe, als wir jetzt wieder zurückkamen. Die Stammgäste rauchten Zigarren, und dies ist die Art von Bar, in der man aufgrund der Länge nicht gezwungen ist, in der Nähe der Raucher zu sitzen, wenn man das nicht möchte.
Ich würde lieber eine Erfahrung wie diese machen, wobei natürlich die Präsentation des Glamorama nach den Maßstäben eines beispielsweise Wax On als etwas „veraltet“ oder einfach oldschool bezeichnet werden könnte, als eine Bar, die andere Kriterien erfüllt und dann einen mittelmäßigen Drink liefert.
Es gibt eigentlich keine Art von Gästen, denen ich die Bar Zentral nicht empfehlen würde. Vielleicht nur, wenn man eine größere Auswahl an seltenen Spirituosen haben möchte, oder wenn die erdrückende Auswahl an neu eröffneten spannenden Locations in Berlin einen woanders hinzieht. Nach diesem Besuch möchte ich mir auf jeden Fall zur Angewohnheit machen wiederzukommen, wenn ich in der Stadt bin.
/jf