#10 | Ménage, Munich, Germany


Last Visit: February 2023


Die Ménage Bar in Münchens hippen Glockenbackviertel hatte das Besondere und Kreative quasi bereits im Blut. Ein paar Jahre zuvor war die Location nämlich noch 2013 als das Gamsei eröffnet worden, hierher stammt auch die auffällige und die Bar dominierende Holzeinrichtung an der Wand hinter der Theke, die an moderne, japanische Concept Stores erinnert. Nicht nur das, damals war die Innenarchitektur noch einmal progessiver und experimenteller, tolle Bilder findet man in diesem netten ArchDaily-Artikel. Die zwei sich gegenüberstehenden Holztribünen sind schwer zu übersehen, im Ménage dann jedoch nicht mehr genutzt worden. Nichtsdestotrotz, es ist immer ein vielversprechendes Zeichen, wenn eine Bar es schafft auf AD gefeatured zu werden.

Nun möchte ich auch nicht zuviele Worte über eine eigentlich andere Bar verschwenden, als die im Titel stehende. Als würde mich jemand nach meiner Partnerin fragen und ich beginne erstmal damit fünf Minuten über meine vorige Gefährtin zu erzählen. Eines sei jedoch gesagt: Man, wäre ich gerne damals bereits öfter in München gewesen und hätte hier vorbeigeschaut. Ein Künstler/Bartender, der eine der bekanntesten australischen Bars ("Der Raum") zu verantworten hatte, dieses Interieur, lokal gesammelte Zutaten, Essenskonzept (schönerweise fortgeführt im Ménage), weniger als ein Jahr überstanden - diese Geschichte hat viele spannende Bausteine.

Ein Drama in drei Akten. Beziehungsweise drei Artikeln, anhand derer man sich in der Mixology vieles davon als interessante Abendlektüre noch anlesen kann. Hier seien sie verlinkt, die Überschriften sprechen für sich:

Wie bereits geschrieben ist im Ménage (wiederum Ende 2018 eröffnet) so einiges übrig geblieben, ein Teil der Einrichtung, noch mehr Fokus auf hochwertiges Essen als bereits zuvor und natürlich die kreative Ader. Wobei diese in der Reinkarnation natürlich aus der bekannten Frankfurter Kinly Bar stammt, bzw. direkt von den Kinly Boys, die das Ménage ins Leben gerufen haben, René Soffner & Johannes Möhring. Barchef und bei jedem Besuch auch Top-Gastgeber ist heute Max J. Maier.

Der Rotovap steht lässig demonstrativ direkt hinter der Theke, man wird überfreundlich empfangen und beraten, das Menü ist jede Saison neu und insbesondere in der aktuellen Iteration künstlerisch aufwendig gestaltet, wie es mich sofort an große Adressen wie die Little Red Door in Paris oder Arnd's damaliges Baby, den Curtain Club im Ritz in Berlin erinnert. Fehlt noch irgendwas um wirklich sicher zu sein, dass das hier ein High End Bar-Projekt ist, auch wenn es trotzdem viel Gemütlichkeit und Lässigkeit ausstrahlt?

Achja, da war ja noch das mit dem Essen: Luke Rogers ist von Anfang an als Küchenchef dabei, nach bereits zuvor bekannten Stationen in München (Walter&Benjamin, avva, etc.) und sorgte dafür, dass man das Ménage auch mal eben im Bib Gourmand von Michelin, sowie im Gault&Millau Guide, mit einer Haube versehen, findet. Dabei gibt es eine eigene Essenskarte getrennt zu den Cocktails. Rechts darauf findet man das "Barfood", links sogar klassisch ein Gänge-Menü. Wobei das Barfood in große Anführungsstriche gehört, denn was in anderen Bars Oliven, schnell gemachtes Trüffelpopcorn oder ein Sandwich meint, bekommt hier immer direkt andere Dimensionen, ein kleines Beispiel könnt ihr weiter unten sehen (sowie das Food-Menu selbst).

"Talisman"

Diese zwei Pole, Küche und Cocktails beflügeln sich dabei gegenseitig, bereits erwähnter Rotationsverdampfer zum Vakuumdestillieren und für andere Spielereien, wird genutzt, aber eben auch nicht overused. Es ist keine Bar, die zwangweise in jedem Drink in neues Buzzword an Hightech weitergeben muss. Das klappt auch gut genug ohne, mit den Klassikern Fat Wash, "normalen" Infusionen/Mazerationen und Konsorten, sowie ohne jede Markennennung im Menü. Dabei wird spannendes genutzt, viele kleinere, unabhängige Marken, seit Beginn an zum Beispiel eigentlich immer dabei und immer spannend: Empirical Spirits aus Dänemark mit ihren kreativen und experimentellen Spirituosen jeder Couleur. Hier meine 2-3 Drinks des Abends:

Talisman:

| Terragon-Coffee-Rum
| Orange Curaçao
| Salt
|
Mirabelle

Sehr ausgeglichen und frühlingshaft, entgegen meiner Erwartung geht er fast schon nicht als vollwertiger Kaffeedrink durch. Der Estragon und Kaffee sind Infusionen, der Kaffee dabei sogar nur eine 45-60 Minuten Rapid Infusion, was die Zärte und Seidigkeit erklärt, mit der er sich durch den Drink schlängelt. Mindestens ebenbürtig ist der Mosel Distillers Mirabellen Eau de Vie, die Abfüllungen der Marke werden sind teils Mischungen aus Bränden, Geisten, Mazeraten und die frische Fruchtigkeit spielt hier schön mit dem Salz. Der Orangenlikör wirkt eher im Hintergrund als Verbindung, das Estragon kommt erst im Finish schön durch, was mir auch gut passte, damit es nicht zu kulinarisch wird von vorne bis hinten. Sehr süffig, ein Drink für schnelle gute Laune.

"Rye Me A River"

Rye Me A River:

| Pumpkin Seed Oil Rye
| Caramel Verjus
| Tonka Port Wine
| Salt

Mein bisheriger Favorit aus meinen inzwischen 4 Barbesuchen in der Ménage Bar und das will etwas heißen. Der Rye Whiskey wird mit Kürbiskernöl fatwashed, das "Caramel Verjus" ist quasi ein Karamellsirup, der jedoch mit Verjus abgelöscht wird und das Wasser darin hiermit ersetzt wird. Dazu weißer (!) Portwein, mit Tonkabohnen infusioniert, da kann man im Menü mal schnell erst den üblicheren roten Vertreter vermuten (insbesondere mit Rye in Kombination). Doch es ergibt alles mehr als nur Sinn, denn es ist der eher helle und blumige Stork Rye, welchen man übrigens sehr häufig in München findet. Dazu passt der weiße Port ideal und das Karamellverjus ist das wahre Highlight im hinteren Drittel des Trinkerlebnisses. Man stelle sich gleich 3 sehr gut gemachte twisted Old Fashioneds vor, wie man sie öfter findet, mit eben je Kürbiskern, Karamell und Tonkatwist, alle zusammen in einen Drink gemischt. Trotzdem bleibt alles herausschmeckbar und dies dann jedoch perfekt aufgelockert mit einem kleinen Schuss seidiger Säure, der den Cocktail sehr luftig und elegant wirken lässt. Die Schwere und Pampigkeit fehlt, die einem sonst sofort bei diesen Zutaten in den Kopf kommt.

Etwas kürzer noch zu den anderen zwei Bestellungen des Tages, einerseits der Livèche Total. Ein durchaus sehr interessanter Drink mit Liebstöckel-infused Bourbon und einigen weiteren Zutaten, Kirsche, Miso-Butter fatwashed Cognac und Enzian(likör). Klingt sehr kulinarisch, war es auch. Ein Drink gefühlt direkt aus der überkreativen Küche, leider kam ich rein persönlich doch nicht so mit dem Liebstöckel klar. Insbesondere, da es ein nochmal überdeutlicher Kontrast bzw. Gewürz-Kontrahent zu dem pikanten "Uncle Roger's Egg Fried Rice" (ja, benannt nach dem Youtube-Comedian) war. Genau die richtige Menge an Koriander Spicyness, aromatischen Pilzen und mit einem perfekt pochierten Ei: absoluter Hochgenuss.

"Livèche Total"

"Uncle Roger's Egg Fried Rice"


Im Sommer 2023 soll nun also Schluss sein, wie man der Mixology entnehmen konnte und ich auch vor Ort bestätigt bekam, was bleibt nach meinem wohl letzten Besuch im Ménage zu sagen?

Dass mir das Herz blutet, zu wissen, dieses Review wird in einigen Monaten zu einem R.I.P.-Review umgewandelt. Dass ich es sehr vermissen werde, schon auf dem Weg nach München im Zug Vorfreude auf immer wieder neue kreative Explosionen an Geschmackseindrücken vorzufinden und mich schon zu fragen, was sich hier nun wieder kulinarisch-inspiriertes ausgedacht wurde. Neue Projekte ständen an, dies mag einen ein wenig beruhigen. Wir werden sehen inwiefern diese jedoch eine Bar solchen Kalibers, die sich international hinter nichts verstecken musste und insbesondere in Deutschland mit ihrem Konzept einen sehr eigenen Weg ging, ersetzen können werden, zur Zufriedenheit der meisten Stammgäste.

Doch wenn das Team hinter der Theke und in der Küche sich eines verdient hat, dann ist es Dankbarkeit für die schönen Stunden und einzigartigen Erlebnisse, sowie Vertrauen, eben auch für neue Vorhaben.

Bleiben wir gespannt was da kommen mag und bleibe diese Perle Bar-Deutschland auch lange nach dem kommenden Sommer in Erinnerung.


Die 3 bestellten der 14 Cocktails im Menü, sowie das Food-Menü:

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