#43 | Rumba, Seattle, USA


Last Visit: Summer 2024

Die USA sind nicht nur für Bourbon und Rye bekannt, sowie klassische Whisk(e)y-Drinks wie den Manhattan oder Old Fashioned, sondern auch der Geburtsort der bis heute prägenden Tiki-Community. Auch über 75 Jahre nach Start des Tiki-Craze sind im ganzen Land noch Tiki-Bars verstreut und manchmal öffnen auch neue. In Seattle wiederum hat vor über 10 Jahren die erste "Rum-Bar" der Stadt geöffnet. Das bedeutet man wird nicht von einem fast schon surrealen Tikidekor überwältigt, sondern alles geht moderner, heller, aber trotzdem tropisch angehaucht vonstatten. Die Rumba, die im September 2012 eröffnete, wird als Bar & Restaurant in Kombination (was in den USA deutlich häufiger anzutreffen ist als hierzulande) geführt und dementsprechend erwarten einen hier nicht nur schöne Drinks mit dem Hauptfokus auf Rum, sondern ebenfalls passend dazu karibische Speisen.

Die Bar liegt nur einen Steinwurf weit weg von der hier bereits besprochenen Starbucks Roastery, an der Grenze von Seattle Downtown und Capitol Hill und ist somit durch die zentrale Lage sehr gut erreichbar.

Copyright: Rumba Seattle

Was einem nicht direkt auffällt, wenn man vor der großen Fensterfront der Rumba steht, ist, dass innerhalb der Räumlichkeiten noch eine zweite vollwertige Bar mit extra Eingang integriert ist. Beim Betreten wird man unverzüglich freundlich empfangen und, sofern man nicht reserviert hat, kommt der freundliche Hinweis, ob man in der Rumba Platz nehmen möchte, in der man schon steht oder in der "Inside Passage". Zur "Inside Passage" geht man, nach dem Empfang links durch den separaten Eingang und betritt eine völlig andere Welt. Man verlässt die noch eher lockere, gestreamlinte Karibik und kommt in den im Intro bereits erwähnten, tiefsten, dunklen Tiki-Dschungel. Aber zurück zur eigentlichen Rumba.

Das Erste, was einem nach dem Betreten der Bar auffällt, ist die lange geschwungene Theke aus dunklem Massivholz, an der bis zu 10 Personen Platz nehmen können, mit einem Meer aus Flaschen als Backboard. Der Stil ist klassisch robust gehalten, generell dominieren dunkle Holztöne den Look der Bar, mit zum tropischen Thema passenden, aquamarinblauen Akzenten in Form von Barhockern und Sitzgelegenheiten.

Copyright: Rumba Seattle


Je länger man das Auge schweifen lässt, desto mehr gibt es zu entdecken. Von unzähligen an der Wand befestigten Postkarten, bis hin zu einer Wohnzimmerwand mit integriertem Fenster. Inklusive Blick auf den Ozean und stimmigen Insel-Accessoires, die einem das Gefühl vermitteln, entspannt verweilen zu können. 

Warmes Licht und softe Klänge unterstreichen das Ambiente und den Wohlfühlfaktor. Passend dazu gibt es eine Büchersammlung von Ernest Hemingway, die einen zum Lesen verleitet. Ob es allerdings auch wirklich gestattet ist, die Bücher aus dem Regal zu nehmen, entzieht sich meiner Kenntnis. Man würde es stark vermuten, bei der sonst so entspannten Stimmung vor Ort.

Wie der Name der Bar schon ahnen lässt, liegt hier der Hauptfokus auf zuckerrohrbasierten Spirituosen in Form von R(h)um, was sich auch im Barmenü widerspiegelt. Angefangen mit den Signature Drinks der Rumba, erweitert sich das Menü um schlichte Kategorien wie stirred, tropical, no-proof Cocktails und Classics.

Wem das nicht genügt, der kann sich aus der umfangreichen Rumkarte mit mehr als 700 verschiedenen R(h)ums aus aller Welt einen Flight zusammenstellen lassen. Wer im rumlastigen Barmenü nicht fündig wird, kann sich gerne vom kompetenten Barteam oder dem Service beraten lassen, was unserer Erfahrung nach zu top Ergebnissen führt.

Copyright: Rumba Seattle

Hauseigene Blends, selbst hergestellte Cordials, Sirups und natürlich frisch gepresste Säfte sind hier ein Grundstein für hohe Qualität, die sich auch im Geschmack wiederfinden lässt und so sollte es ein Leichtes sein, eine schöne Alternative empfohlen zu bekommen.

Aufgrund der Größe der Bar und vor allem da es sich ja eigentlich um zwei Bars handelt, ist reservieren nicht zwingend nötig. Ebenfalls kann hier in größeren Gruppen gefeiert werden, ob Hochzeit, Geburtstag oder Firmenevent, die Informationen dazu findet man auch prominent auf der Homepage. Da es uns irgendwann wieder nach Seattle verschlagen wird, freue ich mich jetzt schon auf einen Besuch in der bereits erwähnten "Inside Passage", für den wir bisher noch keine Zeit fanden.

Dabei ist der Übergang zwischen beiden Bars fließend, so werden viele Events der Rumba in der Inside Passage für mehr klassischen Tiki-Flair abgehalten. Darunter fallen regelmäßige Masterclasses, so gibt es sogar die nicht ganz so ernste "Rumba Rum University", aka eine Reihe an Schulungen über Rum und einzelne, Rum produzierende Nationen. Uns freut es immer Bars zu sehen, die sich auch aktiv um die Weiterbildung von interessierten Laien bemühen und dies mit viel Spaß und Unterhaltung wie hier vorantreiben. Dabei wird wirklich viel vermittelt, teils finden in einem Monat 4 Classes statt, die jedoch alle unterschiedliche Aspekte oder Länder beleuchten und man kann sogar ein Gesamtticket für alle 4 (à 2 Stunden!) kaufen.

Darüber hinaus existiert, wie man es auch z. B. aus Tiki-Größen wie dem Smuggler’s Cove in San Francisco kennt, eine eigene, kleine "geheime" Society. So gibt es einen "Rumpass", wenn man der Gesellschaft beitreten will, mit über 75 Rums aus über 15 Nationen und erst sobald man diesen komplett abgestempelt hat, wird man aufgenommen. Gehört man ihr an, wird der eigene Name auf einer Wand verewigt, man wird zu einer privaten Instagrampage eingeladen und kann exklusive Events und so weiter besuchen. Absolut nerdig und beispielsweise in Deutschland sicherlich eher schwer vorstellbar, aber wie bereits erwähnt in zumindest den großen Tiki-Bars durchaus häufiger zu finden. Und wir bei LT halten dieses Nerdtum mit einem Augenzwinkern für eine tolle Eigenheit der Barkultur.

Aber mal konkret zu den Signatures!

Midnight Snack

| Roasted Peanut Infused Tequila
| Aged Mexican Rum
| Blackberry
| Coconut
| Banana
| Lemon
| Walnut bitters

Der Name passt wie die Faust aufs Auge, etwas deftig, etwas für die Seele. Frischer, fruchtiger Auftakt mit zurückhaltender Säure und dafür voller, satter Brombeere. Das Ganze dann gepaart mit typischen Rum-/Melassenoten, die gerne etwas intensiver sein könnten und einem Hauch Banane. 

Den Übergang bilden Noten von intensiv gerösteter, erdiger Erdnuss, die länger verweilen und gut mit den Black Walnut Bitters harmonieren. Die Kokusnussnoten kann man nur erahnen. In Summe ein fruchtig, leicht komplexer und voluminöser Drink, der im ersten Moment vom Mundgefühl her an cremigen Milchshake erinnert, allerdings leider einen etwas schnellen und simplen Abgang hat. 

Red Wedding

| Mezcal
| Overproof Jamaican Rum
| Aperol
| Spiced Hibiscus Tea
| Passionfruit
| Lime juice

Ob es Liebe auf den ersten Blick war, mag ich bezweifeln, aber es gibt ein versöhnliches Ende mit dem Red Wedding. Mezcal und Overproof Jamaica Rum bilden den Auftakt mit einem verhaltenen Kräftemessen, das der Mezcal anfänglich für sich entscheidet, bevor die satten Esternoten alles einholen. Begleitet wird das Ganze von einer stimmigen Säure und einer schönen herben Spicyness, die zusammen mit den Esternoten immer wieder auftaucht und den Mittelteil bildet.

Den längeren Abgang bilden trockener Rauch von der Agavenspirituose, zusammen mit einem Hauch Passionsfrucht und angenehmer Kräutrigkeit, sowie dezenter Würze. Umspielt wird dies vom Hibiskus Tee, was dem Ganzen etwas Leichtigkeit verleiht und eher im Hintergrund verweilt. Ein süffiger Cocktail mit angenehmem Tiefgang, dem man den Alkohol nicht direkt anmerkt, was gefährlich werden kann.

Smoking Room

| Chairman's Reserve Forgotten Cask Rum
| Peated Scotch Blend
| Brucato Orchard Amaro
| Apricot
| P.X. Sherry
| Black Lemon Bitters

Viel Rauch um nichts oder doch ein schöner Schmeichler? Den Auftakt macht eine tolle Vollmundigkeit mit schöner Süße aus, die sich zusammensetzt aus getrockneten Früchten, Pfirsich und Zitrusnoten, die vom Rum begleitet werden.

Der Mittelteil und Abgang werden gebildet von einer leicht trocken werdenden Kräutrigkeit, eingehüllt in schönen Torf/Räuchernoten inkl. Salzigkeit, die dem Drink noch eine weitere tiefere Ebene geben. In Summe könnte der Cocktail für mich etwas konzentrierter und intensiver sein. Trotzdem ist er aber für sich ein stimmiger, vielleicht etwas zu harmonischer Cocktail.

Daiquiri No.1

| Cuban Rum
| Lime
| Sugar

Ein Klassiker, wie er besser nicht hätte sein können. Der Daiquiri ist sehr schön auf den Punkt gebracht. Intensiv, frisch, mit schöner Süß-Säure Balance und frischen vollmundigen Rumnoten, die alles abrunden. Einer der wohl besten Daiquiris, die ich bisher hatte und eine absolute Empfehlung, wenn man schonmal in dieser rumfokussierten Bar ist.

Was bleibt also abschließend zur Rumba zu sagen? Das ungezwungene, fröhliche Urlaubsambiente mit Wohlfühlfaktor und freundlichen Mitarbeitern bleibt definitiv in Erinnerung. Die Cocktails für sich hätten für meinen Geschmack etwas ausdrucksstärker und intensiver sein können, etwas mehr auf den Punkt gebracht, gerade was die Signaturedrinks angeht. Das runde und süffige kommt mehrheitlich vielleicht im Publikum an, aber gerade bei der Auswahl an kräftigen, prägnanten Spirituosen will man sie doch auch präsent im Drink haben, zumindest ich und der Rest von uns bei LT.

Ausnahme bilden hier die Classics, sowohl der Daiquiri als auch der Mojito, der hier nicht extra erwähnt wurde, waren auf den Punkt, intensiv, frisch und eine absolute Empfehlung. Auf Nachfrage erfährt man, dass die Bar hier den sogenannten House/Daiquiri-Blend nutzt (einer von zahlreichen eigenen Rum-Blends), der Rums aus der Dominican Republic, Puerto Rico, Saint Lucia, Jamaica und sogar noch multi-island Rums vereinigt. Hier liegt also offensichtlich ein großes Talent der Bar, die perfekten Mischungen für die diversen Klassiker selbst zusammenzumixen.

Dafür alleine lohnt es sich wiederzukommen. Aufgrund der vermutlich noch intensiveren Tiki-Erfahrung in der Inside Passage werden wir auf dem nächsten Trip nach Seattle direkt wieder hereinschauen und dann noch von der Zweitbar in der coolen Location berichten.

/tg


Auszüge aus dem Menü (anklicken für Originalgröße):

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